Wellenreiten in der Nordsee – Vorurteile
Der erste Eindruck ist mäßig, wenn man sich die Surfstatistiken der Nordsee anschaut:
- Annähernd kein Groundswell (Groundswell hat mehr als 10s Periode),
- bestimmende Windrichtung ist Onshore,
- flacher Meeresboden und
- Großbritannien als Swellblocker für Swells aus großen Teilen des Atlantiks.
Dies waren auch unsere Gründe warum wir die am Atlantik liegenden Küsten immer bevorzugt haben.
Nachdem wir die Nordsee nun seit Längerem genauer erkunden, sehen wir einige Argumente, die neben der Leere im Line-Up für das Wellenreiten in der Nordsee sprechen.
Tidenhub (Gezeitenunterschied)
Im Vergleich zum Atlantik hat die Nordsee in vielen Regionen einen geringeren Tidenhub. Dies bringt einen enormen Vorteil mit sich.
Beispiel: In Frankreich (oft 3-4m, teilweise sogar 14m Tidenhub) können 60min lang weltklasse Wellen brechen und in den folgenden Stunden funktioniert die geliebte Sandbank nicht mehr – es müssen Swell, Wind und Tageslicht in der Stunde mit dem richtigen Wasserstand passen, damit die Welle gut bricht – oft eine Herausforderung.
Ein geringer Tidenhub wie in einigen Regionen der Nordsee bedeutet, dass eine gute Sandbank oder Riff häufig den ganzen Tag funktioniert und man sich somit nur noch nach dem Swell und dem Wind richten muss. Dies bedeutet in den 3 Stunden in denen Swell und Wind passen, wird der Spot auch funktionieren. Folgende Karte zeigt die Unterschiede (in Meter) zwischen Ebbe und Flut in der Nordsee:
Bildquelle: www.klett.de
Windrichtung
Die beherrschende Windrichtung ist zwar Onshore, aber
- ist dies an den meisten Küsten so,
- ist die Küste der Nordsee sehr verwinkelt und
- es gibt viele Inseln in der Nordsee (Insel heißt potentiell Spots in alle Richtungen).
Dies bedeutet an einem Swell-reichen Tag schaut man sich nur die Küste an und findet meist einen Spot der passt.
Kleines Forecast Beispiel für Sylt:
Groundswell
Der wenige Groundswell in der Nordsee ist meiner Meinung ein überbewerteter Nachteil. Viele Beachbreaks funktionieren in einem Swell mit vielen Peaks besser, als bei einem wirklichen Groundswell mit Lines. Ein Swell mit vielen Peaks hat meiner Erfahrung meist weniger als 10 Sekunden Periode und ist somit per Definition kein Groundswell. Er kann trotzdem von einem etwas entfernten Sturm kommen und auf lokalen Offshore oder glassy Bedinungen treffen – das Resultat ist perfekter Surf!
Viele Peaks. Bildquelle: www.magicseaweed.com
Groundswell und Lines. Bildquelle: www.magicseaweed.com
Auch wenn der Groundswell natürlich super aussieht und am richtigen Spot (Point oder Riff) hervorragende Wellen produziert, ergeben sich bei einem Groundswell an einem Beachbreak Wellen, die zu schnell sind zum surfen (Close-outs). Die häufigsten Wellenperioden der Nordsee liegen bei 6 bis 9s und können gute Wellen an den vielen Stränden der Nordsee erzeugen.
Und für die Tage mit Groundswell gibt es etliche Points und Riffe, die an diesen Tagen für perfekte Wellen sorgen.
Bathymetrie (Meeresboden)
Die Nordsee ist mit einer mittleren Tiefe von nur 95 Metern sehr flach. Zum Vergleich: der Tiefseegraben vor Nazare eine maximale Tiefe von 5000m – da der Meeresboden dort bei richtiger Swellrichtung den Wellen auf dem Weg zur Küste kaum Energie entzieht, entstehen dort 30m Wellen. Ein flacher Meeresboden raubt den Wellen aber Energie und reduziert somit die Höhe der surfbaren Welle an der Küste.
Ist nicht super, aber auch kein großer Nachteil, da wahrscheinlich die wenigsten 30m Wellen surfen wollen. Kopfhohe Wellen oder etwas mehr sind in der Nordsee gut zu finden.
Schauen wir uns nun mal an welche Regionen der Nordsee gutes Potential besitzen, damit sie ein paar gute Wellen zum Surfen produzieren.
Surfspot - Niederlande
Bildquelle: www.magicseaweed.com
Das ist nicht das Pier in Huntington Beach (CA, USA), das ist Scheveningen – der wohl bekannteste und beste Surf Spot der Niederlande nur 2h von der deutsch-niederländischen Grenze entfernt. Scheveningen gilt als Swellcatcher und lässt somit sogar die kleinsten Wellen brechen. Durch das Pier und die Molen bietet der Spot selbst bei Cross-Shore Bedingungen surfbare Wellen und ist deshalb immer einen Blick auf die Webcam wert, wenn die Windrichtung Nord-West bis Süd-West ist mit Offshore aus Süd-Ost.
Surfspot - Dänemark
Bildquelle: www.magicseaweed.com
Das Bild könnte ein guter Abend in Frankreich sein, aber es ist Dänemark, genauer Hvide Sande, etwa 3h nördlich von Flensburg. Dänemark erreichen Wellen aus dem Nordatlantik, wenn es bei Island stürmt – das sind die wahrscheinlich besten Tage. Auch in Hvide Sande gibt es eine Mole, die etwas Schutz bei Cross-Shore bietet. Eine Überlegung wert, wenn die Windrichtung zwischen Nord und Süd-Süd-Ost liegt mit Offshore aus Ost.
Surfspot - Deutschland
Bildquelle: www.magicseaweed.com
Deutschland hat Surf! Die meiner Meinung besten Spots sind Sylt, die ostfriesischen Inseln und St. Peter Ording. Wenn ein Sturm im Nordatlantik, östlich von Island tobt und der Wind an der deutschen Nordseeküste aus Süden kommt oder es sogar windstill ist, sollte man aufmerksam werden. Ich denke im Winter kommt ein motivierter Surfer in Deutschland jede Woche mehrmals aufs Wasser.
Hier mal ein Beispiel Forecast für Norderney:
Bildquelle: www.scinexx.de
Ein Nord-Nord-West Swell erzeugt Wellen, die durch die relativ tiefe (gelbes Feld) Nordsee mit ausreichend Energie auf Norderney treffen, gleichzeitig weht lokal in Norderney ein Südwind. Dann kann es so aussehen:
Bildquelle: www.magicseaweed.com
Surfbretter für die Nordsee
Wir surfen die Nordsee seit Jahren an ca. 150 Tagen pro Jahr.Die Nordseewellen sind kleiner, langsamer und vor allem schwächer als die in den Ozeanen.
Damit man Spaß hat, müssen diese Bedingungen bei der Surfbrettwahl berücksichtigt werden. Mit einem high-performance Shortboard werdet ihr kaum Spaß haben.
Auf folgender Seite zeigen wir euch worauf Ihr beim Surfbrettdesign für die Nordsee achten müsst und welche Bretter dies erfüllen.